Rautenstrauch-Joest-Museum gibt Einblick in den globalen Kunstmarkt

 

Die Architektur und Kunst des alten Khmer-Reichs (9. bis 15. Jahrhundert) in Kambodscha fasziniert bis heute und der internationale Markt mit Khmer-Kunst boomt. Teilweise werden Preise in Millionenhöhe erzielt. Inzwischen befinden sich die meisten Khmer-Skulpturen in Privatsammlungen und Museen außerhalb Kambodschas. Doch handelt es sich bei all diesen Objekten um Originale? In der Sonderschau „Tatort Kambodscha? Einer Fälschung auf der Spur“ im „Blickpunkt“ des Rautenstrauch-Joest-Museums – Kulturen der Welt Köln (RJM), Cäcilienstraße 29-33, Köln-Innenstadt, wird anhand einer vermeintlich originalen Khmer-Skulptur deren Geschichte zurückverfolgt. Wie konnte eine Fälschung auf dem Kunstmarkt landen? Welches sind die Handlungen und wer die Täter, die eine Kopie in eine Fälschung verwandeln? Mit welchen technischen Hilfsmitteln werden solche Skulpturen hergestellt? Warum gibt es überhaupt Fälschungen?

 

Antworten auf diese Fragen gibt die Ausstellung, mit der sich das RJM vom 2. Juni bis 6. August 2017 den Konsequenzen der kaum zu stillenden internationalen Nachfrage nach authentischen Khmer-Skulpturen widmet. Es ist die erste Sonderschau, die im „Blickpunkt“, in den Räumen des früheren JuniorMuseums auf der 1. Etage – auf rund 200 Quadratmetern – präsentiert wird.

 

Die Ausstellung gliedert sich in drei Kernbereiche – dem Zentrum „Einer Fälschung auf der Spur“ mit der Entlarvung der Fälschung, den ethnologischen Forschungsergebnissen im Bereich „Von der Kopie zur Fälschung – Eine Metamorphose“ und den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich „Schichten und Geschichten – wie entdeckt man eine Fälschung?“

 

Einer Fälschung auf der Spur

 

Die Entlarvung der Fälschung begann mit einem Zufall: Göttinger Wissenschaftler wurden auf einer Forschungsreise nach Thailand und Kambodscha Zeuge, wie ein deutscher Kunstliebhaber eine vermeintlich echte Khmer-Skulptur in einer Galerie in Bangkok kaufte; ihm wurden Echtheits- und Provenienz-Zertifikate ausgehändigt. Nachforschungen ergaben, dass das vermeintliche Original eine Kopie war, die aus einer Bildhauerwerkstatt in Kambodscha stammte und von skrupellosen Händlern und Galeristen in Thailand mit falschen Zertifikaten ausgestattet worden war. Der Nachweis der Fälschung konnte lückenlos erbracht werden. Die Skulptur samt den ebenfalls gefälschten Zertifikaten hat der Kunstliebhaber als ausgezeichnet dokumentiertes Beispiel einer dreisten Fälschung dem Rautenstrauch-Joest-Museum übereignet.

 

Metamorphose

 

Zahlreiche Steinbildhauerwerkstätten in Kambodscha stellen nach Vorlagen aus Ausstellungskatalogen Kopien von alten Khmer-Skulpturen her, weil diese dem Geschmack der Touristen aus aller Welt entsprechen. Manche dieser Kopien werden mechanischen und chemischen Alterungsprozessen unterworfen, damit sie „antik“ aussehen. Diese künstlich gealterten Skulpturen werden jedoch erst dann zu Fälschungen, wenn sie in betrügerischer Absicht mit falschen Herkunftsangaben weiterverhandelt und verkauft werden. Dafür sind nicht die Steinmetze verantwortlich, sondern in der Regel kriminelle Händler und Galeristen.

 

Schichten und Geschichten

 

Ist eine Steinskulptur echt oder gefälscht? Um Antworten zu finden, muss ein Naturwissenschaftler Detektivarbeit leisten. Oft ist es sehr schwer, eine Fälschung zu erkennen. Die Untersuchungen beginnen mit sorgfältiger visueller Begutachtung und gehen immer weiter ins Detail, wobei auch „Hightech“-Methoden eingesetzt werden können. Eine genaue Kenntnis des verwendeten Steins, seiner Verwitterung und der Steinbearbeitung ist Voraussetzung für die Einschätzung der zusammengetragenen Beobachtungen. Aber selbst dann muss der „Detektiv“ gelegentlich die Antwort: „100 Prozent echt“ oder „100 Prozent gefälscht“ schuldig bleiben.

 

Die Ausstellung wurde von Prof. Dr. Brigitta Hauser-Schäublin, Institut für Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen, und Dr. Esther von Plehwe-Leisen, LPL Köln, kuratiert. Sie zeigt Resultate des ethnologisch-völkerrechtlichen Teams der interdisziplinären Forschergruppe an der Universität Göttingen, „Die Konstituierung von Cultural Property“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft, das die Spuren der gefälschten Skulptur vor Ort verfolgte. Die naturwissenschaftlichen Beiträge basieren auf den Erfahrungen des German Apsara Conservation Projects (GACP) in Kambodscha gefördert durch das Kulturerhaltprogramm des Auswärtigen Amts und die TH Köln.

 

Buchvernissage

 

Auftakt und Mitbegleiter des Ausstellungsprojektes ist die im Januar 2017 erschienene Neuauflage der Publikation „Cultural Property and Contested Ownership: The Trafficking of Artefacts and the Quest for Restitution“ von Brigitta Hauser-Schäublin und Lyndel V. Prott. Die Publikation befasst sich anhand von Beispielfällen mit der Frage, ob und, wenn ja, welche Wirkung die 1970 UNESCO-Konvention über den rechtwidrigen Kulturgütertransfer (wozu der Besitz und Handel mit Kulturgütern gehören, die aus Plünderungen, Raubgrabungen und Fälschungen stammen) entfaltet hat; von Deutschland wurde sie erst 2016 verabschiedet. Einen Schwerpunkt bilden Fälle aus Kambodscha.

 

Hauser-Schäublin, Brigitta, Lyndel V. Prott (Hgs.). 2017.

Cultural Property and Contested Ownership: The Trafficking of Artefacts and the Quest for Restitution

Gebundene Ausgabe, Englisch,

260 Seiten, 41 Abbildungen. London: Routledge.

Die Publikation kann direkt über den Routledge-Verlag (www.routledge.com/9781138188839) oder über einen Bestellschein im Museumsshop des Rautenstrauch-Joest-Museums bestellt werden.

 

Weitere Informationen

 

Kuratorinnen

 

Die Ausstellung wurde von Prof. Dr. Brigitta Hauser-Schäublin und Dr. Esther von Plehwe-Leisen kuratiert. Projektleiterin ist Dr. Annabelle Springer, Wissenschaftliche Referentin Asien am Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt.

 

Grafik und Design

 

MI Büro für Gestaltung, Marie-Helen Scheid, www.mariehelenscheid.de

 

Förderer

 

Die Sonderschau wird unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Kölner Kulturstiftung der Kreissparkasse Köln und die Museumsgesellschaft RJM. Kulturpartner ist WDR3.

 

Öffnungszeiten

 

Das RJM ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Donnerstag von 10 bis 20 Uhr, am 1. Donnerstag im Monat von 10 bis 22 Uhr (außer an Feiertagen).

 

Eintritt

 

Der Eintritt zur Sonderschau ist frei.

 

Begleitprogramm

 

Donnerstag, 6. Juli 2017, 18 Uhr

Vortrag „Tatort Kambodscha? Von Plünderungen und Fälschungen“

Prof. Dr. Brigitta Hauser-Schäublin, Institut für Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen

Donnerstag, 13. Juli 2017, 18 Uhr

Vortrag „Echt oder Gefälscht? – Naturwissenschaftler entzaubern eine Khmer Steinskulptur“

Dr. Esther von Plehwe Leisen, LPL Köln

 

Es gibt regelmäßige öffentliche Führungen durch die Ausstellung: viermal mittwochs (7. Juni, 28. Juni, 12. Juli, 2. August) um 15 Uhr vom Museumsdienst Köln, www.museenkoeln.de, und jeden Sonntag um 14 Uhr von der Museumsgesellschaft.

 

Informationen zum Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt gibt es unter www.museenkoeln.de/rjm und www.facebook.com/rjmkoeln. Stadtbahn-Haltestelle Neumarkt, Parkmöglichkeiten im Parkhaus im Gebäude, Zufahrt über Cäcilienstraße.

 

Text- und Bildquelle/Bildrechte: Stadt Köln/Museumsdienst Köln/RJM

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