„Co-Abhängigkeit“: Auch der Versuch zu helfen kann zur Sucht werden – TÜV Rheinland: Probleme betreffen die ganze Familie

 

Im Jahr 2014 waren laut Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes etwa 1,7 Millionen Erwachsene in Deutschland alkoholabhängig. Unter der Erkrankung leiden jedoch nicht nur die Suchtpatienten selbst – oft sind auch die Familie und das soziale Umfeld betroffen. Es ist völlig normal, dem Erkrankten helfen zu wollen. Allerdings können diese Bemühungen zum Gegenteil führen.

 

Die Unterstützung durch Partner, Kinder, Eltern, Freunde oder auch Arbeitskollegen bestärkt den Erkrankten in seinem Verhalten und kann eine Behandlung verzögern oder verhindern. Dr. Bernward Siebert, Arbeitsmediziner bei TÜV Rheinland: „Die Unterstützer suchen immer neue Wege, dem Süchtigen zu helfen, und geraten selbst in eine so genannte Co-Abhängigkeit. Ihre Droge ist das Gefühl, gebraucht zu werden. Dafür verausgaben sie sich bis hin zur Selbstaufgabe.“ Bei allen Suchtformen – unter anderem Alkoholabhängigkeit, Drogenkonsum oder Medikamentenmissbrauch – kann eine Co-Abhängigkeit auftreten. Diese verläuft in drei typischen Phasen: Anfangs versuchen die Angehörigen, das Verhalten des Süchtigen zu entschuldigen und ihn vor den Folgen zu beschützen. Nach außen wird die Fassade eines funktionierenden Alltagslebens aufrechterhalten. Im nächsten Schritt versuchen Co-Abhängige den Betroffenen zu kontrollieren: Sie suchen die Drogenverstecke, schütten Alkohol weg und tun alles, um die Situation in den Griff zu bekommen.

 

Doch solange der Süchtige selbst keine Schritte unternimmt und aktiv einen Weg aus der Erkrankung sucht, sind alle Anstrengungen umsonst. Bei dem Co-Abhängigen führt diese Situation schließlich zu einer Überlastung, die sich auf vielfältige Art zeigt: Es kommt zu Erschöpfung, Isolation und Resignation, aber auch zu psychischen Problemen und körperlichen Beschwerden wie Magenbeschwerden oder Schlafstörungen. Für den völlig überlasteten Angehörigen wird der Süchtige zum Sündenbock, der Drohungen, Ausgrenzung und Verachtung ausgesetzt ist.

 

Grenzen setzen und Hilfe leisten durch Nicht-Helfen

Es ist wichtig, dass betroffene Angehörige selbst Unterstützung suchen, um einen Weg aus dieser Co-Abhängigkeit zu finden. Kompetente Ansprechpartner für ihre Probleme finden sie beispielsweise bei Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, ihrem Hausarzt, dem Betriebsarzt oder in Angeboten zur externen Mitarbeiterberatung ihres Arbeitgebers. Die Sucht des Familienmitgliedes muss als Krankheit anerkannt werden, für die der Angehörige keinerlei Verantwortung trägt – nur so gelingt die Befreiung aus der Co-Abhängigkeit. Diese Erkenntnis hilft dabei, die Sucht nicht länger zu verheimlichen und sich gegenüber dem Erkrankten abzugrenzen. Die Hilfe für den Süchtigen bei allen Fragen der Alltagsbewältigung bestimmt so nicht länger das Leben des Angehörigen. Die aktive Gestaltung des Lebens mit Blick auf das eigene Wohlergehen rückt stattdessen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

 

Erfährt der Suchtkranke bei der Alltagsbewältigung keine weitere Hilfe und Unterstützung, ist er gezwungen, Verantwortung für sein Leben und die Folgen seines Handelns zu übernehmen. Dies kann ein wichtiger Schritt sein, um den Süchtigen zu einer Veränderung seines Verhaltens und dem Beginn einer Therapie zu motivieren. „Klare Grenzen und der Mut zum Nicht-Helfen können somit für den Erkrankten und den Co-Abhängigen die ersten Schritte aus der Suchtspirale darstellen.“, resümiert Siebert.

 

Weitere Informationen zur externen Mitarbeiterberatung für Unternehmen gibt es unter www.tuv.com/eap bei TÜV Rheinland.

 

Quelle: TÜV Rheinland AG, Archivbild

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