Die Emanzipation und ihre unerwünschte Nebenwirkung

 

Eine Studie des psychologischen Forschungsinstituts september aus Köln ergab, dass jede zweite deutsche Frau zwischen 40 und 55 Jahren mit ihrer Lebenssituation unzufrieden ist. Über 600 Frauen wurden im ersten Halbjahr 2017 zu ihrer Lebenszufriedenheit befragt. Zutage kam dabei: Das emanzipatorische Ideal der gleichermaßen selbstbewussten wie erfolgreichen, attraktiven wie fürsorglichen Frau, die ihre verschiedenen Rollen souverän meistert, hat eine unschöne Nebenwirkung: Für die meisten ist es unerreichbar. Als traurige Folge können in der Generation 40plus 46% der befragten Frauen nicht sagen, dass sie mit ihrem Leben zufrieden sind.

 

Für vier von fünf Frauen ist ihre finanzielle Lage das größte Problem. 70% führen berufliche Gründe an. Probleme mit sich selbst haben sogar rund die Hälfte der Frauen, die sich selbst nicht mehr attraktiv finden und unter dem kritischen Blick auf den eigenen Körper leiden. Ein Drittel der Frauen unternimmt rein gar nichts, um sich selbst wohl zu fühlen; jede zehnte Frau setzt sich kaum mit der eigenen Situation auseinander und weiß nicht, was ihr selbst gut tut.

 

Zwar eröffnet die Emanzipation den Frauen viele Optionen, erhöht andererseits aber auch die Anforderungen, die sie an sich selbst stellen. Im Job wollen sie mindestens das gleiche leisten wie die Männer, den Kindern eine perfekte Mutter sein, den Haushalt effektiv managen und sich auch noch jenseits der 40 als attraktive und begehrenswerte Frau fühlen. Die Realität hingegen sieht ganz anders aus. Es gibt kaum eine Frau, die alle beruflichen und privaten Aufgaben so perfekt erfüllen kann, wie sie es von sich selbst erwartet. Von der ständigen Mehrfachbelastung fühlen sich viele sogar regelrecht ausgelaugt.

 

Carmen Schenkel, Geschäftsführerin von september: „Die unterschiedlichsten Frauen dieser Generation haben eines gemeinsam: Das Bild, an dem sie sich selbst messen, ist schlicht und ergreifend utopisch. Viele gehen äußerst hart mit sich ins Gericht und reden ihre Lebensleistungen klein. Gut erscheint ihnen niemals gut genug.“

 

Fehlende Rollenvorbilder erschweren die Neuorientierung

 

Der drohende Verlust der jugendlichen Schönheit ist darüber hinaus eine große psychische Belastung. „Viele Frauen wachsen mit dem Ideal der begehrenswerten Prinzessin auf und wollen darin immer wieder bestätigt werden. Irgendwann sagt ihnen der Blick in den Spiegel, dass es damit bald vorbei ist. Und dann fehlt eine neue Orientierung.“, so Carmen Schenkel. Neben dem Verlust ihrer Attraktivität hadern viele Frauen mit früheren Entscheidungen wie z.B. dem Verzicht auf Kinder. Und häufig sind sie es nicht gewohnt, in dieser Lebensphase aktiv für ihre eigenen Bedürfnisse einzutreten und sich neue Ziele zu setzen. Auch die überwiegend zufriedenen Frauen ziehen ihr Glück zu über 80% aus einer intakten Partnerschaft und einem schönen Zuhause, aber nur selten daraus, sich beruflich oder persönlich weiterzuentwickeln.

 

Heute treffen Frauen 80% aller Kaufentscheidungen. Mit zunehmendem Alter jedoch rückt das medial verbreitete Wunschbild der ewig jungen und attraktiven Konsumentin immer weiter in die Ferne. „Wenn es um die die Bedürfnisse der Generation 40plus geht, ist unsere Gesellschaft auf einem Auge blind.“, so Carmen Schenkel. „Frauen, die Ausbildung, Karriere und Kinder gemeistert haben, fehlt oft der Blick für die eigenen veränderten Bedürfnisse. Sie sind sie unzufrieden, weil diese Lebensphase den falschen Idealen unterworfen wird.“

 

Dabei braucht es nicht viel, um die Frauen zu entlasten. Sie wollen nicht immer perfekt sein müssen, sie möchten den unzähligen Alltagspflichten öfter mal ein Schnippchen schlagen und sie lieben es, sich kleine Glücksmomente zu gönnen. Sich selbst zu verwöhnen, die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und diese Ansprüche selbstbewusst auszuleben ist gerade für diese Frauengeneration hoch attraktiv. Während in den Medien und der Konsumwelt noch immer das Ideal der Prinzessin dominiert, erfordert eine älter werdende Gesellschaft neue feminine Leitbilder.

 

Sie sollten die hohe gesellschaftliche Bedeutung der Frauen 40plus anerkennen, sie ermuntern, weniger hart mit sich selbst ins Gericht zu gehen und ihnen vor allem helfen, ihre persönliche Weiterentwicklung von der jungen „Prinzessin“ zur souveränen „Königin“ in die eigenen Hände zu nehmen.

 

Quelle: september Strategie und Forschung GmbH, Archivbild

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