Vorhang auf für einen vielversprechenden Neuzugang: 30works II präsentiert erstmals die spektakulären Bildwelten Benjamin Burkards in einer Soloausstellung.

 

Sind biologische Materie und Maschinen autarke, in sich geschlossene Systeme? Oder bilden sie nicht vielmehr eine organische Synthese, ja sogar eine Symbiose, in der das eine das andere bedingt, nährt, fördert und zur inneren wie äußeren Vollendung antreibt?

Diese philosophische Frage könnte als Ausgangbasis dienen, um die Bildwelten in Benjamin Burkards Ausstellung „Schöne Neue Welt“ zu verstehen. Denn der Künstler schafft betörende Hybride aus Mensch, Tier sowie Flora und maschinellen Elementen, die sich trotz der augenscheinlichen Verschmelzung ihre jeweils eigenständige Materie bewahren. Der Mensch bleibt inmitten der ihn umgebenden Maschine sichtbar Mensch, die Technik ummantelt ihn auf eine fast sinnlichen Weise, die Obdach, Schutz und Heimat zu verheißen scheint. Dabei dominiert oder lenkt sie nicht, sondern bildet vielmehr eine organische Hülle ähnlich einer Haut, die einer klar definierten Funktion folgt und dem Menschen somit dient. Er ist das Zentrum – die Technik das ihn umspielende Universum.  Benjamin Burkard wirft mit seinen geheimnisvollen Motivwelten in „Schöne Neue Welt“ explizit keine Dystopie auf; er überführt vielmehr den Titel der Ausstellung, Aldous Huxleys weltberühmten und dystopisch rezipierten Roman „Brave New World“ zitierend, wenn vielleicht nicht ins Utopische, so doch zumindest in eine schlüssige Konnotation, wonach biologische Entität und maschinelle Existenz eine harmonische Einheit bilden können.

 

Mensch und Maschine als übergeordnetes System

Damit entwirft der 31-Jährige eine Art Antithese zur vorherrschenden Meinung, nach der

Maschinen als Vorboten der Apokalypse fungieren. Selbst Wissenschaftler und Tech-Visionäre wie Stephen Hawking und Elon Musk warnen vor den unkontrollierbaren Auswüchsen von Robotik und Künstlicher Intelligenz. Burkard stößt zum Kern dieser hochaktuellen Debatte vor und stellt das Problem mit den Mitteln des Künstlers zur Disposition. „Künstler sollen keine Lösungen aufzeigen, und Kunst sollte niemals absolutistisch sein. Vielmehr sollte sie bestimmte Situationen, Fragen und Probleme spielerisch aufgreifen und ihnen damit ein öffentliches Forum geben.“, sagt der 31Jährige. Doch dieses Spiel greift noch viel tiefer, als die reine Motivik es zu implizieren vermag.

Denn Benjamin Burkard verfügt neben seinem Studium der Kunst auch über einen Abschluss in Biologie. Er weiß um Funktionen, Mechanismen und Regulative von natürlichen Lebensformen – und überträgt diese ganz bewusst auf artifizielle Schöpfungen. Im Kunststudium zeichnete er Stillleben aus Schrauben, verrosteten Metallstücken und Maschinenfragmenten, erst einzeln, dann in formierten Architekturen, die zu eigenständigen Wesen wurden. Damit schien die Vorstellung von Dingen als „toter Materie“ für ihn widerlegt. Inspiriert von Julian Offray de La Mettries ikonischem Traktat „L’homme machine“ von 1748, wonach der Mensch ein rein materialistisches, neurokybernetisches Konstrukt ist, innerhalb dessen die Seele kein metaphysisches Phänomen, sondern ledglich das Resultat komplexer organischer Vorgänge ist, begann Burkard seinen Gedanken weiterzuführen: „Wenn ich Maschinen auf dem Papier und der Leinwand gleichsam zum Leben erwecken kann, sie damit also menschliche Züge haben können, kann der Mensch nicht im Umkehrschluss auch als Maschine betrachtet werden?“

Burkard trennt und wertet nicht, er beruft sich lieber auf große Forscher und Wissenschaftler wie Carl Friedrich Gauß, Charles Darwin und Alan Turing, die kategorieübergreifend in Übersystemen gedacht und diese entschlüsselt haben. So erweist der Künstler ihnen in unterschiedlichen Inszenierungen des „Darwin-Finken“ seine Referenz und zieht daraus seine persönliche Legitimation, Mensch/Tier und Maschine, das Organische und das Anorganische, das scheinbar Lebendige und vermeintlich Leblose in einem übergeordneten System zusammenzufassen. „Meine Bilder folgen einem Evolutionsprozess. Alles hängt mit allem zusammen, alles baut aufeinander auf.“

 

Von da Vinci bis zu den Futuristen…

Dass die Arbeiten trotz dieser inhaltlichen wie visuellen Vielschichtigkeit überraschend greifbar und beschwingt anmuten, ist ihrer leuchtenden, mitunter hedonistischen Farbsprache geschuldet. Sowie einer nahezu ätherischen Aura, wo die Maschinenkonstrukte in ihrer so kleinteiligen wie graziösen Ästhetisierung jegliche Einschüchterung oder Bedrohlichkeit missen lassen. Stilistisch bleibt Burkards Werk einzigartig: Wenngleich er Anleihen bei informeller Malerei, klassischer Porträtkunst und Surrealismus nimmt und innerhalb jeder einzelnen Arbeit zwischen Figürlichkeit und Abstraktion wandelt, ist sein Stil genausowenig kategorisierbar wie es Mensch/Tier und Maschine sind. Was nur konsequent ist. Am ehesten formiert er einen neuen Futurismus, der Einflüsse von Roberto Matta erkennen lässt, aber genauso die Linienführung, anatomische Präzision und Charakterzeichnung der großen Renaissance-Künstler aufgreift. Nicht umsonst zählt Burkard, der selbst ein grandioser Zeichner ist, da Vinci mit seinen für damalige Verhältnisse verrückten Maschinenkonstruktionen zu seinen größten Vorbildern. Nicht zuletzt, weil auch Leonardo ein Mensch war, der systemübergreifend dachte und agierte. Und wie es der Zufall so will, gehört ein beachtliches Konvolut der berühmten Maschinen-Manuskripte da Vincis heute einem weiteren Schöpfer von Übersystemen: Bill Gates. Alles hängt mit allem zusammen…?! Benjamin Burkard führt uns das in „Schöne Neue Welt“ so intellektuell wie leichtfüßig, so gehaltvoll wie elegant, so episch wie poetisch vor Augen. Und zählt damit zur seltenen Spezies von Künstlern, die das ganze Universum auf eine Leinwand zu bannen vermögen. Inklusive der großen Fragen, die uns umtreiben…

 

 

Benjamin Burkard lebt und arbeitet bei Germersheim/Rheinland Pfalz. Er absolvierte ein Kunst- und Biologiestudium an der Universität Landau und gewann im Zuge seiner künstlerischen Tätigkeit zahlreiche Stipendiate und Preise, darunter den Heinrich-vonZügel-Kunstförderpreis (2015). Seine Arbeiten waren bereits im Museum Pfalzgalerie in Kaiserslautern ausgestellt sowie auf Messen wie der Art Karlsruhe und der Affordable Art Fair in Amsterdam zu sehen. Sowohl öffentliche als auch private Sammlungen listen den 31-Jährigen in ihrem Portfolio.

 

Die Laudatio auf den Künstler wird Prof. Dr. Frank Herrmann vom Institut für Fahrzeugtechnik der TH Köln halten.

 

 

Benjamin Burkard „Schöne Neue Welt“ @ 30works II

Vernissage: 28. Oktober 2017, 19:30 Uhr

Laudatio: Prof. Dr. Frank Herrmann

Ausstellung: 28.10. – 18.11.2017

Öffnungszeiten: Di-Sa 12-19 Uhr

30works Galerie II – Pfeilstraße 47 – 50672 Köln – 0221/5700250

 

 

30works Galerie II

Pfeilstraße 47

50672 Köln 0221/5700250 www.30works.de

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